Gemeindevertreter beschließen drei Bahn-Haltepunkte

Quelle: maz.de / Author & Foto: Helge Treichel

Trotz massiver Proteste von Anwohnern ist es entschieden: Die Heidekrautbahn soll auf ihrer künftig reaktivierten Stammstrecke drei Haltepunkte allein im Mühlenbecker Land bekommen.

Schildow. Trotz massiver Proteste von Anwohnern ist es entschieden: Die Heidekrautbahn soll auf ihrer künftig reaktivierten Stammstrecke drei Haltepunkte allein im Mühlenbecker Land bekommen: Mühlenbeck, Schildow Mönchmühle und Schildow Bahnhof. Diesen verkehrspolitisch motivierten Grundsatzbeschluss fassten die Gemeindevertreter am Montagabend mehrheitlich bei vier Gegenstimmen.

Laut Beschlusstext „begrüßt“ die Gemeindevertretung „ausdrücklich die geplante Einrichtung von drei Haltepunkten“. Die Haltepunkte sollen in Schildow am alten Bahnhof (nahe der Bahnhofstraße) und an der Kreuzung zwischen Heidekrautbahn und L21 (Schillerstraße/Mühlenbecker Straße) sowie in Mühlenbeck nahe des Berufsförderungswerkes realisiert werden.

Die geplanten Haltepunkte der Heidekrautbahn im Mühlenbecker Land. Quelle: Gruppe Planwerk

„Die Heidekrautbahn soll als leistungsfähiges Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs ausgebaut werden, um die Straßen möglichst vom Autoverkehr zu entlasten“, heißt es in der Beschlussbegründung. Hierfür sei es „unbedingt sinnvoll, vielen Einwohnern unserer Gemeinde die Möglichkeit zu eröffnen, zu Fuß oder mit dem Fahrrad einen Zugangspunkt zu erreichen“. Abstände von circa einem Kilometer zwischen den Haltepunkten seien hierfür gut geeignet. Die exakte Lage der Haltepunkte werde erst im Zuge der weiteren Planung festgelegt.

Vor Beginn der Sitzung hatten rund 50 Gegner eines dritten Haltepunktes vor dem Bürgersaal demonstriert. Sie verwiesen auf eine zehn Jahre alte Vorplanung, laut der die NEB einen Halt in Schildow Nord wegen eines geringen Fahrgastpotenzials für „entbehrlich“ gehalten habe. Deshalb sollte auf eine Wiederinbetriebnahme verzichtet werden. Dieser halt hätte außerdem zur Folge, dass die Schranken mindestens drei Minuten geschlossen seien, was unnötig Lärm, Abgase und „Chaos“ nach sich zöge. Außerdem wird die Frage gestellt, ob für zusätzliche Fahrzeugstellplätze tatsächlich Bäume gefällt werden sollten. Außerdem werde ein 140 Meter langer Bahndamm gebaut und Boden versiegelt für „wenige Nutzer“. Eine Vertreterin der Bürgerinitiative „Dialog Heidekrautbahn“ übergab weitere Unterschriftenlisten, wodurch sich nunmehr rund 1400 Unterzeichner kritisch zum Projekt positionieren.

Der Bürgersaal war am Montagabend wieder einmal recht voll. Quelle: Helge Treichel

Inhaltlich beziehe sich die Petition allerdings nur am Rande auf die Zahl der Haltepunkte, sagte Bau-Fachbereichsleiter Hanns-Werner Labitzky. Stattdessen würden auch Fragen gestellt und Rahmenbedingungen gefordert, „dich auch ich unterschreiben kann“. Darüber hinaus verwies er im MAZ-Gespräch auf eine weitere Petition aus diesem Jahr, mit der sich rund 1500 Menschen per Unterschrift klar für das Reaktivieren der Heidekrautbahn ausgesprochen hatten.

Thorsten Friedrich hatte als Fraktionsvorsitzender von FDP/AG MüLa unter Beifall der zahlreichen Gäste dringend dazu aufgerufen, die Grundsatzentscheidung an diesem Abend nicht zu treffen und das Thema stattdessen noch einmal in den Fachausschüssen zu beraten. Dagegen argumentierte Ursel Liekweg (SPD), indem sie auf die bessere Planbarkeit mit der Entscheidung verwies. Mit Verweis auf ihren Heimatort Zühlsdorf und den dortigen Bahnhof mit Gastronomie entkräftete sie die Befürchtung, dass mit dem Haltepunkt die Existenz des „Kastanienhofes“ im alten Schildower Bahnhofsgebäude zerstört werde. Das Gegenteil sei der Fall.

Tranparente der Demonstranten vor dem Bürgersaal. Quelle: Helge Treichel

Dass der Bedarf von einigen vielleicht noch nicht gesehen wird, sich das Haltepunkt-Angebot aber „als gut und richtig erweisen“ wird, prophezeite Werner Haberkern, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler. Das sei die Voraussetzung, „um die Pendler auf die Schiene zu kriegen“. Die Situation verglich er mit der Straßenbahn.

Einzelne Demonstranten reagierten sehr ungehalten auf die getroffene Entscheidung. Mit Verweis auf die Unterschriften warfen sie den Kommunalpolitikern lautstark „totale Ignoranz“ vor. Der Ort werde auf Jahrhunderte verschandelt. Auch ein Gewissen wurde ihnen abgesprochen. Und es wurde gedroht, dass sie noch von der Geschichte hinweggefegt würden.

„Fehler sind nicht änderbar“, warnen die Demonstranten. Quelle: Helge Treichel

10 Antworten auf „Gemeindevertreter beschließen drei Bahn-Haltepunkte“

  1. Im Kern wird fast alles richtig dargestellt, was sich gestern Abend im Bürgersaal abspielte. Nur, dass immer wieder ein Gegensatz zur Bürgerinitiative-Dialog-Heidekrautbahn und anderen „Befürwortern“ hergestellt wird, was einfach die Tatsachen entstellt und falsch ist.
    Wäre ich nicht selbst dabei gewesen, hätte ich mir nicht vorstellen können, wie unaufmerksam und desinteressiert sich vor kurzem gewählte Gemeindevertreter gegenüber berechtigten Bürgerstandpunkten und Zweifeln verhalten. Ein derart überhebliches und abweisendes Benehmen im Angesicht von mehr als 1000 Unterschriften von Bürgern zu bestimmt 98% aus dem Mühlenbecker Land war für mich eine lehrreiche, leider sehr schlechte Erfahrung. Ich werde nicht aufgeben mich einzumischen.

    1. Ich kann mich den Ausführungen von Frau Schulz leider nur voll und ganz anschließen. Auch ich war anwesend und war z.T. fassungslos über die für mein Empfinden überheblich-arroganten Ausführungen einzelner Gemeindevertreter. Auch bei Gesprächen vor der Sitzung wurde den besorgten und/oder betroffenen Bürgern indirekt immer wieder wortreich zu verstehen gegeben, dass diese den großen Zusammenhang nicht verstehen würden. Für mich völlig unverständlich ist, warum Entscheidungen mit solcher Tragweite (ungeklärten Kosten, Lärm-und Umweltbelastung, Nachteile für Anlieger…) von der Gemeindevertretung mit diesem zeitlichen Druck durchgepeitscht werden. Hier könnte man fast auf die Idee der äußeren Einflussnahme kommen. Mein Dank an die 4 Gemeindevertreter die m.E. als einzige ihrer Verantwortung ggü. den Bürgern gerecht geworden sind. In 2 Fällen sogar entgegen eines möglichen „Fraktionszwangs“.

  2. Ich kann ja verstehen, wenn man als Anlieger nur bedingt glücklich darüber ist, dass einem ein Bahnsteig vor die Nase gesetzt wird. Allerdings reden wir hier von einer Reaktivierung einer Bahnstrecke, die teilungsbedingt eingestellt wurde und für deren Wiederinbetriebnahme es ein öffentliches Interesse gibt. Und soweit ich verstanden habe, sollen moderne Züge eingesetzt werden und im Zuge des Verfahrens auch geschaut werden, ob Anspruch auf Lärmschutz besteht. Insofern sind die vorgebrachten Argumente von Lärm- und Umweltbelastung für mich nur bedingt nachvollziehbar, zumal wir hier von ÖPNV reden, der ja die Menschen dazu bringen soll, auf ihr Auto zu verzichten. Auch das Kostenargument ist unsinnig, weil die Kosten ja von der NEB übernommen werden, die sicherlich mit dem spitzen Bleistift rechnet. Die Gegner der Heidekrautbahn sollten nicht vergessen, dass die Befürworter der Wiederinbetriebnahme keine irrelevante Minderheit sind. Ich jedenfalls gehöre zu den Unterstützern und freue mich auf eine gute Verbindung nach Berlin!

    1. Hallo Jörg,

      Vielen Dank für dein Kommentar.
      Bitte lesen Sie unsere Interessen und Forderungen genauer. Denn von Gegner gegen die Heidekrautbahn kann nicht die Rede sein.

      Bitte haben Sie Verständnis, dass Einwohner eines Orts möchten, das die Bahn bestmöglich ins Dorf integriert und unter Berücksichtigung aller Reaktiviert wird, wenn schon reaktiviert wird. In Schildow beispielsweise gibt es vier Bahnübergänge und es sollen zwei Haltepunkte errichtet werden. Finden Sie nicht auch, dass dies mit dem Bürger im Einklang sein sollte?

      Des Weiteren ist eben genau nicht klar, dass Wasserstoffzüge eingesetzt werden sollen. Dies wurde anfänglich so gesagt, ggf. wird auch daran gearbeitet, aber aktueller Planungsstand = Dieselloks. Es werden auch keine Flüstergleise, wie anfänglich von gesprochen verlegt. Und ob der gesetzliche Lärmschutz, an den man sich halten möchten (was ja wohl klar sein sollte das der eingehalten wird) überhaupt Lärmschutz vorsieht ist sehr zweifelhaft.

      Von daher lohnt es allemal hier für die Rechte der Bürger zu kämpfen und die Beteiligung einzufordern. Bisher haben wir schon einiges erreicht und es geht weiter.

      Wie gesagt, es geht nicht ums ob sondern ums wie!

      Schaue Sie mal in diesen Artikel:
      https://www.dialog-heidekrautbahn.de/buergerinitiative-fordert-zukunftsfaehiges-verkehrskonzept/

    2. Sehr geehrter Jörg B.,
      Ihre Ausführungen sind in mehreren Punkten falsch:
      1. Die Kosten für die Reaktivierung tragen zum größten Teil Bund,Land und Gemeinden.
      2. Die Nutzung von Wasserstoffzügen ist zwar in Aussicht gestellt, aber keineswegs garantiert.
      3. Die Lärmschutzbedenken beziehen sich auch auf den möglichen Güterverkehr, welcher natürlich nicht mit „Flüsterzügen“ unterwegs ist. Dass es nächtlichen Güterverkehr geben wird, ist nach Reaktivierung äußerst wahrscheinlich.
      4. Was man unter relevanter Mehrheit oder irrelevanter Minderheit versteht ist sicherlich Ansichtssache. Hier jedoch ein Fakt: 3 Tage vor Ende der ersten Petition für die Reaktivierung haben trotz offensiver Werbung lediglich 6,8% der Wahlberechtigten der Gemeinde MüLa diese unterschrieben (hierbei nicht berücksichtigt, dass Wahlberechtigung nicht mal erforderlich war und es nachweislich Doppel-und Dreifachunterschriften gab).
      Von diesen 4 Punkten abgesehen, sehe ich nicht die Entlastung des Autoverkehrs, da eine Bahn, welche 1 mal die Stunde fährt kaum erheblichen Zuspruch finden wird und folglich das Kosten-Nutzen-Verhältnis hier doch eher fragwürdig erscheint.

  3. Liebe Frau Richter, die Entscheidung der Länder Brandenburg und Berlin zur Wiederinbetriebnahme der Stammstrecke erfolgte doch nicht aufgrund der von Ihnen erwähnten Petition (die ich übrigens auch unterzeichnet habe, obwohl ich nicht in Mühlenbeck wahlberechtigt bin), sondern weil im Zuge der verkehrlichen Entwicklung der Hauptstadtregion für den Bereich nördlich von Wilhelmsruh (also nicht nur für Mühlenbeck) ein dringender öffentlicher Bedarf erkannt wurde, der zudem aufgrund der gegebenen planungsrechtlichen Voraussetzungen mit vergleichsweise geringem Aufwand zu befriedigen ist. Wir bekommen quasi eine Bahnanbindungen an die Innenstadt (wieder-)geschenkt! Um nicht falsch verstanden zu werden: es ist absolut in Ordnung, sich als Bürger für die bestmögliche Umsetzung dieses Projekts einzusetzen. Mich überzeugen allerdings viele der hier vorgetragenen Bedenken nicht. Warum sollte es nicht noch einen Haltepunkt in Schildow Nord geben? Ist doch prima für die Anwohner von Mönchmühle (ich kenne welche, die freuen sich)! Und die Autos müssen an den Schranken halten?! So what! Dafür haben die Züge freie Fahrt und vielleicht nervt es die Autofahrer so sehr, dass sie irgendwann auch in den Zug umsteigen. Je mehr, desto besser und möglicherweise fahren die Züge dann bald öfters als einmal in der Stunde und das von Ihnen bemängelte (angeblich nicht gegebene) Kosten-Nutzen-Verhältnis verbessert sich. Wasserstoffzüge sind nicht garantiert? Okay, aber noch ist ja wohl nichts abschließend entschieden, so dass wir hier keinen Fakt haben, sondern nur Vermutungen. Ähnlich steht es mit dem Güterverkehr und dem angeblich nicht gewährleisteten Lärmschutz. Ich sehe bei diesem Projekt nur Chancen und Herausforderungen, die gestaltet werden können!

    1. Sehe ich genauso. Der Autoverkehr verursacht momentan sehr hohe Lärmemissionen, aber darüber spricht keiner. Dass ein mit Wasserstoff betriebener elektrischer Triebzug, der auf einer dann neu errichteten Strecke einmal pro Stunde fährt, leiser ist als der dichte Pkw Verkehr, ist doch wohl offensichtlich. Von den Verkehrsverlagerten Effekten und der positiven Klimabilanz der Bahn ganz zu schweigen. Eine Verlängerung nach Gesundbrunnen ist sicher notwendig, die jetzige Busverbindung über Pankow mit ebenfalls einmaligem Umstieg, ist jedoch auch nicht besser.
      Auf moderne Sicherungstechnik ist sicherlich zu achten, damit nicht unnötig gehupt werden muss im Wohngebiet. Jedoch sollte auch auf eine wettbewerbstaugliche Fahrzeit geachtet werden. Da Schuldow jedoch momentan nur bedingt gut angeschlossen ist, sollte steht für mich eher der Anschluss in Pankow Park oder Blankenfelde in Frage, da diese die Fahrzeit stark verlängern, bei gleichzeitig geringem Nutzen. Darüber müssen letzlich, aber Kosten-Nutzen Analysen Auskunft bringen, die alle externen Kosten mit einbeziehen.

    2. Sehe ich genauso. Der Autoverkehr verursacht momentan sehr hohe Lärmemissionen, aber darüber spricht keiner. Dass ein mit Wasserstoff betriebener elektrischer Triebzug, der auf einer dann neu errichteten Strecke einmal pro Stunde fährt, leiser ist als der dichte Pkw Verkehr, ist doch wohl offensichtlich. Von den Verkehrsverlagerten Effekten und der positiven Klimabilanz der Bahn ganz zu schweigen. Eine Verlängerung nach Gesundbrunnen ist sicher notwendig, die jetzige Busverbindung über Pankow mit ebenfalls einmaligem Umstieg, ist jedoch auch nicht besser.

  4. ich wohne in Schildow Nord an der Heidekrautbahn. und ich freue mich an eine gute Verkehrsanbindung. Wie es sie ja mal gab. Viele Grüße

  5. Zusammengefaßt kann gesagt werden, daß eine seit über einhundert Jahren bestehende Eisenbahnstrecke wiederbelebt wird. Nebst den bestehenden Haltepunkten.
    Eine große Anzahl von Menschen würde diese Bahnverbindung nach Berlin gerne (wieder) nutzen. Historisches Potenzial könnte so in heutiger Zeit seinen Nutzen entfalten und vermehren.
    Es gab günstige Grundstücke entlang der Heidekrautbahn, die eine zeitlang als „Schnäppchen“ galten und von Berlinern als solche erworben wurden.
    Menschen, die in früheren Jahren in Berlin- Reinickendorf in teilweise beengten Wohnverhältnissen lebten und nun in sog. Traumhäusern nahe der besagten Bahntrasse wohnen, sich meist jeden Meter im eigenen Auto fortbewegen, gefällt das nicht. Diese Leute fühlen sich durch die Rückkehr des Eisenbahnbetriebs gestört, wollen der Bahn keinen Vorrang am Bahnübergang gewähren.
    Die übergroße Zahl der Bewohner in Schildow und auch in Glienicke sieht der Wiederinbetriebnahme jedoch, auch mit Blick auf die historische Vergangenheit, mit großer Erwartung entgegen.
    Sie nehmen die Proteste der Zugezogenen eher mit Unverständnis zur Kenntnis und fragen sich, warum man dagegen protestieren muß, daß die neue Bahn Berufsverkehrspotenzial aufnimmt und Autoschlangen auf den Ausfallstraßen verringert werden sollen.
    Protestierende Menschen , die vor der geschlossenen Bahnschranke stehen, weil sie drei Minuten warten müssen, erscheinen dann wohl eher wie ‚Kleingeister in Kleinwagen‘.

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